Die evangelischen, katholischen und neuapostolischen Kirchengemeinden der Gemeinde Bad Grund hatten zum Begehen des bereits siebenten Pilgerwegs eingeladen, welcher der erste Reformationsweg war. Von Anfang bis Ende durften sie sich darüber freuen, dass sich viele Generationen an Wanderern vor der Kapelle in Willensen eingefunden hatten. Sie alle nahmen den Weg gen Gittelde gut gelaunt und erwartungsfroh unter die Füße und hatten nach dreieinhalb Stunden das Ziel, das Freizeitgelände, in bester Stimmung betreten.
Zwischen Start und Ziel lag ein Weg, auf dem die herrliche Vorharzlandschaft und die geführten Gespräche die Zeit verkürzten und neugierig auf die einzelnen Stationen machten, wo Martin Luther schimpfte, Gedanken-Bänder in Büschen verknotet, ein Gotteshaus von drei Glaubensrichtungen errichtet, von jungen Leuten eine Ausstellung gezeigt, Lessings „Ringparabel“ in Szene gesetzt und auch ein kleiner Geschichtsunterricht erteilt wurde. Alles stand unter dem Motto „Wider Hans Worst “. So lautete der Titel einer Schrift, die Martin Luther gegen Herzog Heinrich den Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel geschrieben hatte.
In Willensen wurde nach der Begrüßung ein gemeinsames Lied angestimmt, das die Martinsbläser unter Leitung von Thomas Asche instrumental untermalten. Sie waren auch auf dem Hof der Grundschule in Gittelde zu vernehmen, wofür sie von den Ausrichtern ein großes Dankeschön und von den Pilgern viel Applaus entgegennehmen konnten.
Bevor nun aber in Willensen durchgestartet wurde, schimpfte erst einmal Martin Luther aus dem Fenster der Kapelle auf den scheinheiligen „Heinz von Wolfenbüttel“. Danach machten sich fast alle auf Schusters Rappen auf den Weg. Wer nicht so gut zu Fuß war, stieg auf den Planwagen, der von der DoLeWo Eisdorf zur Verfügung gestellt und von einem Trecker gezogen wurde.
Das Ziel war der Hammensen, den viele nur als Straßennamen kennen. Dort erzählte Pastor Wolfgang Teicke von dem untergegangenen Dorf. Der „Schwarze Tod“ - die Pest - hatte all die hingerafft, die es nicht geschafft hatten, nach Willensen oder nach Gittelde zu fliehen. Abschließend ließ der Referent jedem ein rotes Band zukommen, das mit einem wichtigen Gedanken zu einem Kreis verknotet und an einen kleinen Zweig gehängt wurde: „Schließlich bedeutet das Verlassen nicht nur Leere, sondern ermöglicht auch Überleben und neues Leben“.
Vom Hammensen führte der Weg nach Gittelde auf den Schulhof, wo die Johanniter-Unfallhilfe Kaffee und Kuchen sowie kühle Getränke anbot. Dort hatten aber auch die Klasse 4b ihre eindrucksvolle Ausstellung „Martin Luther im Schuhkarton“ aufgebaut, welche auf große Resonanz und viel Anerkennung stieß.
Dann ging es weiter in die St. Johanneskirche, wo alle selbst sehen konnten, wie junge und alte Christen der ev. Kirche Gittelde, der kath. Kirche Badenhausen und der Neuapostolischen Kirche ein gemeinsames Gotteshaus errichteten. Auf jedem Pappkarton-Stein hatten die Erbauer Wünsche und Erfahrungen festgehalten, die eines gemeinsam hatten: Gemeinsam Kirche zu bauen.
Jugendliche aus der Kirchengemeinde Badenhausen führten „Die Ringparabel“ aus Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“ auf und machten damit deutlich, wie aktuell das Thema „Toleranz zwischen den Religionen“ ist. Am Eingang waren Buchstaben verteilt worden, aus denen sich die Worte „Juden“, „Christen“ und „Muslime“ bilden ließen. Nur zwei Buchstaben wurden ausgetauscht, und es entstand aus den drei Worten ein Satz, der als Auftrag für jeden Glaubenden gelten kann: „Jeder muss nur Licht sein!“.
Wieder galt es, aufzubrechen. Diesmal hieß das Ziel „St. Mauritius-Kirche“. Dort entführte Horst Ahrens, Vorstandsmitglied des Heimat- und Geschichtsvereins Gittelde, in die Historie der Stauffenburg, die 1050 zum Schutz Gitteldes errichtet wurde. Sie war auch Schauplatz der kinderreichen Affäre zwischen Eva von Trott und Heinrich dem Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel. Auch wenn Heinrich versucht hatte, das Verhältnis durch ein Scheinbegräbnis zu vertuschen, war es ein Stoff, aus dem Romane und Theaterstücke entstanden und Luther zu seiner wütenden Schimpftirade auf den Herzog veranlasste. 1713 verlosch allerdings das Licht der Stauffenburg als herzogliches Anwesen. 53 Jahre später wurden die halb zerfallenen Zimmer noch als Gefängnis benutzt. 1778 wurde die Burg als Steinbruch benutzt. Heute ranken nicht nur Gewächse, sondern auch Geschichten um sie herum.
Pfarrer Michael Henheik und Efi Schulz sprachen als Fürbitte ein Gebet, das von Luther geschrieben und nachweislich selbst von seinem Widersacher Herzog Heinrich gesprochen wurde. In der Kirche wurde auch die Kollekte für den Verein „Elternhilfe für das krebskranke Kind Göttingen“ gesammelt.
Die letzte Station, das Ziel, rückte näher. Noch einmal machten sich alle auf den Weg in Richtung Freizeitgelände. Dort angekommen beteten sie das „Vater unser“, um danach bei Speis und Trank diesen Weg noch einmal Revue passieren zu lassen und die Frage zu stellen: „Wohin wird der achte Pilgerweg in zwei Jahren führen?“. pb
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Fotos: Bordfeld